Von Gernika nach New York über Berlin

By 19 April, 2016 Texte
Matrimonio

20.5.1942 – Das Ehepaar Agirre-Zabala nach Abschluss des Buches “De Guernica a Nueva York, pasando por Berlín”.
Ⓒ Sabino Arana Fundazioa

José Antonio Agirre verfasste 1942, nachdem er in New York Fuß gefasst hatte, sein Werk De Guernica a Nueva York, pasando por Berlín. Darin schildert er Details seiner Reise unter falscher Identität und nachträgliche Reflexionen, die sich aus Platz- und Sicherheitsgründen nicht in seinen Tagebüchern, die ihn begleiteten, finden. 1943 in Buenos Aires im Verlagshaus Ekin erschienen wurde 1944 auch eine englische Übersetzung mit dem Titel Escape via Berlin veröffentlicht.

Die aktuellsten Auflagen sind die baskische Edition Gernikatik New Yorkera Berlinetik pasatuz, 2004 bei Erein, Donostia, erschienen, und die spanische des Verlagshauses Foca aus Madrid, ebenfalls aus dem Jahr 2004.

Sämtliche Information zu Agirre, seinen Schriften, fotografischem und phonografischem Material finden sich auf der von der Sabino Arana Fundazioa geführten Seite www.lehendakariagirre.eu.

// Anmerkung der Übersetzerin

Bei der vorliegenden Übersetzung handelt es sich um einen Auszug aus der 2. Auflage von De Guernica a Nueva York pasando por Berlín („Von Gernika über Berlin nach New York“) von José Antonio Agirre y Lekube aus dem Jahr 1944, nämlich das sechste Kapitel „Diario del Doctor Álvarez en Alemania. Desde el 7 de enero de 1941 hasta el 23 de mayo“. Die Originalversion stammt aus dem Jahr 1943. Beide Ausgaben wurden bei dem baskischen Verlag Ekin in Buenos Aires verlegt. Anlass für die Übersetzung dieses Ausschnitts war der Umstand, dass sich der Aufenthalt von Aguirre in Berlin im Jahr 2016 zum 75. Mal jährt und bislang noch keine Übersetzung ins Deutsche vorlag, obgleich dieser Text interessante Einsichten in die damalige Zeit bietet. Die Übersetzung entstand mit Einwilligung der Rechtehalter des Werkes.

Der erste lehendakari, Präsident, der autonomen Region Baskenland, José Antonio Agirre y Lekube wurde erst nach dem Ausbruch des Bürgerkrieges 1936 gewählt. Während des Spanischen Bürgerkriegs musste er 1937 ins Exil gehen und sah sich, um sich und seine Familie zu schützen, gezwungen, eine falsche Identität anzunehmen. Unter dem Decknamen Doktor Álvarez reiste er über Frankreich und Belgien –wo er Frau und Kinder zurückließ – ins nationalsozialistische Deutschland ein. Dieser Teil Agirres Tagebuchs offenbart uns, mit welcher stetigen Angst dieser in Deutschland zu kämpfen hatte. Nach viereinhalb Monaten des Wartens auf seine Ausreisegenehmigung und sein Visum konnte er schließlich mit seiner Familie von Deutschland über Schweden nach Brasilien und von dort nach Uruguay reisen. Dort angekommen, konnte er seine wahre Identität preisgeben und reiste nach Argentinien weiter, von wo aus er später nach New York ging.

Große Unterstützung während seiner Zeit in Deutschland erhielt er vor allem von den Gesandtschaften Panamas, Venezuelas, Argentiniens und der Dominikanischen Republik in Berlin, denn Doktor Álvarez besaß einen panamaischen Pass. Seine Frau und seine Kinder hingegen hatten venezolanische Papiere. Agirre führte während seiner Flucht vor den Schergen Francos Tagebuch, das aus Sicherheits- und Platzgründen nur aus sehr kurzgehaltenen Einträgen bestand. Darin notierte er in unregelmäßigen Abständen seine Erlebnisse. De Guernica a Nueva York pasando por Berlín ist eine sehr viel umfangreichere, literarisch aufgearbeitete Fassung dieses Tagebuchs. Es beinhaltet allerdings nicht nur einen persönlichen Bericht seiner Erlebnisse. Neben Aufzeichnungen von Gesprächen und Erfahrungen enthält es auch viele Gedanken und Überlegungen eines Politikers und Denkers zur politischen Situation in Deutschland, Spanien und Europa zu Beginn der 1940er Jahre.

Agirres Art und Weise sich auszudrücken, scheint bewusst vage bzw. mehrdeutig zu sein, sodass auch die Übersetzung an manchen Stellen ähnlich vage ist. Aus stilistischer Perspektive fallen viele lange, verschachtelte Sätze ins Auge, ein Satzbau, der bei der Übersetzung der Verständlichkeit halber nicht immer beibehalten wurde. Agirre fügte in seinem Tagebuch an einzelnen Stellen die Wochentage zum jeweiligen Datum hinzu oder erwähnte explizit (kirchliche) Feiertage. Für eine bessere Übersicht sind in der Übersetzung bei jedem Eintrag die Wochentage und das Jahr ergänzt worden. Nicht alle im Ausgangstext kursiv gesetzten Wörter wurden in der Übersetzung auch kursiv übernommen, wie etwa im Fall des deutschen Wortes Ersatz, das im Original kursiv steht, da es aus dem Deutschen kommt.

Für ihre Unterstützung möchte ich der freien Übersetzerin Claudia Lorke und der Lektorin für Baskisch an der Goethe-Universität Frankfurt am Main Lourdes Izagirre Ondarra danken. Sie haben viel Zeit in die Überarbeitung meiner Übersetzung und in die Klärung von Detailfragen investiert und mit ihren Kenntnissen, Erfahrungen und ihrem Können zum vorliegenden Ergebnis beigetragen. Für die Übersetzung bin ich, Christine Paasch-Kaiser, allein verantwortlich.

Christine Paasch-Kaiser

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